Robert Schumanns „Der Dichter spricht“ bleibt ein Maßstab für pianistisches Bewusstsein – über Romantik und aktuelle Konzeptmusik hinaus. Im letzten Stück der Kinderszenen komprimiert er sein Anliegen auf wenige Takte, und kommt unmissverständlich zum Punkt.
Ich höre meinem Hauspianisten Juan Carlos Maskerados gerne zu, wenn er es spielt:
Wie ein .zip File habe ich diesen verdichteten Punkt in meiner Slide Komposition Nr. 213 – the end of programming – in der aktuellen Score of Influence interaktiv entpackt:
Wohlgeformte MaxMSP Algorithmen setzen harmonische Fragmente aus Schumanns Dichter neu zusammen und verwenden dabei südindisch-karnatische Rhythmen aus meiner Tupletmachine. Konnakol-Meister Anushaant N. Wijayan sitzt bereits neben mir, bereit, das neue Gedicht virtuos als perkussive Silben zu sprechen. Die Bildschirmaufnahme ruckelt unter all diesen rechenintensiven Einflüssen. Der Strippen-Code zögert, möglicherweise hadert er mit seiner Vergänglichkeit.
Programmier Romantik
Ausgangspunkt dieser Slide Komposition war Dr. Matt Walshs Vortrag Large Language Models and The End of Programming. Auch er spricht Wesentliches aus – (Algo)rhythmiker berührt es in der Seele. Diese sollten aber nicht in apokalyptische Szenarien verfallen (ich hatte diese Entwicklung 2013 vage erahnt und das algorithmische Komponieren, trotz Freude und Erfolgen, für nahezu acht Jahre aufgegeben), sondern weiterhin nach frischen Methoden des Dichtens und Formens streben.
In 213 / 1 kam zwar noch kein Prompt zum Einsatz, jedoch stelle ich mir so die neuronalen Gewichtungen eines latent space innerhalb eines KI-Modells vor – der Rest ist „Programmier-Romantik“, die einen weiterhin strukturell fit hält. Insbesondere auch für südindische Rhythmik, welche man durchaus als eine algo-rhythmische Disziplin auffassen kann.
K.I.nderszenen
Ganz am Ende der Kinderszenen hat der Dichter ausgesprochen und besinnt sich wieder voll auf die fortgeschrittene Gegenwart. Die technologische Singularität hat schon angeklopft und fordert jeden Digitalkreativen zur Prompt Engineering Fortbildung auf. Hier lernen wir derzeit wieder das Dichten mit Worten …
Epilog: Gastdichter
… und diejenigen die bisher tatsächlich Dichter waren, entdecken hier für sich neues musikalisches Ausdruckspotential: So hat ein befreundeter Lyriker kürzlich meinen spontanen Ausruf „meine Liebe ganz umsonst?“ gepromptet.